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Der außergewöhnliche
Myles Horton


Interview geführt von Ellen Gould und Murray Dobin

Briarpatch


Myles Horton ist der Gründer der Highlander Folk School, einem Ausbildungszentrum in Tennessee. Die Highlander Folk School existiert seit 55 Jahren und bildet Organisatoren für Gewerkschaften, Bürgerrechtsbewegungen und lokale Bürgerbewegungen aus. In diesem Artikel sprechen Ellen Gould und Murray Dobbin mit Myles Horton über seine langjährige Erfahrung im Kampf für den Sozialen Wandel.

Frage: Sie setzen sich nun schon seit 60 Jahren für den sozialen Wandel ein. Was motiviert denn die Menschen am meisten, sich in diesem Bereich zu engagieren?

Myles Horton: Die Menschen mit denen ich zusammengearbeitet habe, hatten alle eins gemeinsam: Sie befanden sich in einer Situation, in der sie ein Problem lösen wollten, es aber nicht geschafft haben. Sie hatten also ein Ziel, waren aber frustriert.

Wenn sie dann Hilfe bekommen, beginnen sie auf einmal zu verstehen und zu analysieren. Dennoch ist es letztendlich immer ihre eigene Erfahrung, die sie motiviert, und nicht die Hilfe, die sie bekommen.

Das Ziel, dass die Leute erreichen wollen, muss letztendlich die ausschlaggebende Motivation sein.

Gruppenmotivation ist stärker als persönliche Motivation und das obgleich der Tatsache, dass unsere Erziehung den Fokus auf das Individuum legt.

Frage: Glauben Sie, dass das Ziel und die Motivation schon immer auf ökonomischen Problemen basierte?

M.H.: Nein, auf keinen Fall. Ich denke, dass es ein schrecklicher Fehler ist, anzunehmen, dass die Interessen von einzelnen Personen oder Gruppen rein wirtschaftlicher Natur sind. Wenn man am Ende nichts mehr zu essen hat, dann hat man ein Problem. Also ist da schon irgendwie eine ökonomische Grundlage. Die meisten Probleme sollte man aber nicht mit der Wirtschaft in Verbindung bringen. Menschen haben wahre Werte.

Ich habe in den 30er Jahren Bewegungen von Textilarbeitern in South Carolina organisiert. Diese waren die mit am schlechtesten bezahlten Arbeiter im ganzen Land. Ich habe mit ihnen über ihre Familien gesprochen, über die Zukunft ihrer Kinder und über ihre Verantwortung als Bürger.

Einige der anderen Organisatoren sagten: „Rede über Wirtschaft und Löhne. Das ist alles, was sie interessiert.“ Ich denke aber, dass das nicht wahr ist. Ich denke, dass die Leute viele verschiedene Interessen haben und zu oft beurteilen die Organisatoren die Leute, mit denen sie arbeiten, nur nach ihrem eigenen Wertesystem.

Wenn man betrachtet, was Arbeiter über das Leben denken, kann man sagen, dass sie in dieser Hinsicht den Organisatoren voraus sind.

Frage: Mit welchen Leuten ist es für Sie am wichtigsten zu arbeiten?

M.H.: Es ist wichtig, mit jedem zu arbeiten, da alle Menschen etwas wert sind. Wenn man aber beispielsweise ein Bildungsprogramm anbietet, sollte es keine Massenbildung sein. Von daher ist Selektion notwendig.

Unser Ziel ist es, Graswurzelbewegungen oder neue Führungspersönlichkeiten zu finden, also Leute, die in einer Gewerkschaft oder Gemeinschaft an der Basis arbeiten. Sie müssen keine offiziellen Führungskräfte sein, aber sie müssen das Potential haben, im Interesse der Leute zu handeln.

Frage: Wenn Sie nach potentiellen Führungskräften suchen, in welchen Gruppen suchen Sie dann?

M.H.: Wir suchen nach Gruppen, die das Potential für sozialen Wandel haben. Nun, wie stellt man so etwas fest? Wenn die Mitglieder einer Gruppe sich mit kleinen Veränderungen zufrieden geben, kann man sagen, dass die Gruppe kein großes Potential hat, Führungskräfte herauszubilden oder sozialen Wandel herbeizuführen.

Wenn es aber um ein ernstes Problem geht, für das man strukturelle Veränderungen und Zeit braucht, um es zu lösen, und die Leute sich diesem Problem wirklich widmen, dann hat man schon mal einen Anfang. Wenn man dann eine Gruppe hat, die ein Problem löst und dann nach weiteren Problemen sucht, die sie lösen will, dann hat man die richtige Gruppe gefunden.

Es geht hier nicht um die schlimmsten Situationen und nicht darum, wo Menschen am meisten leiden. Das ist nicht das Kriterium. Es ist ein humanitäres, philanthropisches Problem. Wir streben nach radikalem sozialen Wandel.

Frage: Wie helfen Sie den Leuten bei der Problemanalyse?

M.H.: Zunächst ist es wichtig über das Problem zu reden. Die Leute beginnen dann oft, selbst zu analysieren. Wenn sie nicht aus eigenen Erfahrungen lernen, werden sie nicht aus denen anderer lernen. Wer denkt, er kann anderen einfach nur Theorien aufdrängen, weiß nicht wie der Mensch lernt. Zunächst muss man seine eigenen Erfahrungen analysieren, und zwar so, dass die Analyse ein Teil der Erfahrung wird und nicht fremd bleibt.

Die Leute müssen verstehen, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind und dass sie gleichzeitig auf dem Level arbeiten müssen, wo sie sich gerade befinden.

Man holt die Leute also auf ihrem Level ab und versucht dann Höheres zu erreichen. Man muss sich keine Grenzen setzen, was das Ziel betrifft, aber die Schritte müssen der Situation und den Fähigkeiten und der Entwicklung der Leute angepasst sein.

Frage: Wie können die Leute eine langfristige Vision entwickeln und aufhören, sich nur auf das momentane Problem zu konzentrieren?

M.H.: Zu viele Organisatoren sind der Meinung, dass die Gruppe nur ein klitzekleines Problem lösen kann. Daher behandeln sie die Teilnehmer – Erwachsene, die seit Jahren für etwas kämpfen – wie kleine Kinder, die keine größeren Probleme anpacken können.

Wenn Leute die notwendigen Informationen haben, gibt es keine Grenze, worüber sie alles denken können. Wenn man Leuten Fragen stellt und ihnen ein bisschen hilft, ihre Probleme zu analysieren, wird man überrascht sein, was man alles über sie erfährt.

Reduziere sie also nicht auf weniger, als sie sind, sondern habe angemessene Erwartungen. Man muss versuchen, ihnen klar zu machen, dass sie selbst genug Erfahrung haben und dass sie diese nur analysieren und einsetzen müssen, um an ihre Ziele zu gelangen. Man darf sie nicht überfordern, aber man sollte daran denken, dass ihre Erfahrung ausbaufähig ist.

Frage: Wenn sie zurückblicken, können Sie dann eine Aussage darüber treffen, welche Aktivitäten wirklich Veränderung gebracht haben?

M.H.: Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass Leute nicht zu etwas ermutigt werden sollen, was sie eigentlich gar nicht erreichen können (nur weil es sich gut anhört).

Nehmen wir das Beispiel Lobbyismus. Im Lobbyismus muss man mit multinationalen Konzernen und Interessen, die alle Lobbys haben, konkurrieren. Nur weil Lobbyismus eine gute Sache ist, heißt das nicht, dass Sie dort mithalten können. Die Lobbyisten haben Geld und Sie selbst haben nur ihre Leute. Es ist wichtiger, darüber nachzudenken, was man hat und nicht darüber, was man nicht hat. Das bedeutet, dass man eine Art kreative Massenaktion schaffen muss. Ideen, die nicht in die Tat umgesetzt werden, können nur selten Veränderungen herbeiführen.

Es ist wichtig, kreativ zu sein, wenn es um Aktionen geht. Konventionelle Aktionen bringen meist nichts.

Zurückblickend kann ich wohl sagen, dass nur eins 100% hilft und das ist ziviler Ungehorsam.

In der Anfangszeit der Arbeiterbewegung mussten wir allen Gesetzen trotzen, da es Gesetze gab, die es verboten,Treffen zu organisieren oder Streikposten aufzustellen. Wenn wir uns während der Bürgerrechtsbewegung nicht gegen das Gesetz gestellt hätten, hätten wir nie etwas erreicht. Während den Massendemonstrationen gegen den Vietnamkrieg hat nur eines geholfen: Zu sagen „Nein, niemand wird uns stoppen. Wir werden ins Gefängnis gehen.“

Nachdruck aus der Februarausgabe von Briarpatch (1988). Briarpatch erscheint zehn Mal im Jahr. Das Abo für ein Jahr kostet 19 $. Kontakt: Briarpatch, 2138 McIntyre Street, Regina, SK S4P 2R7.


(CX4712)


Schlagworte

Aktivismus/Radikalismus Organisation Volkserziehung Sozialer Wandel


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